Ludwig Wolters
25. Mai 1892 – 19. Juli 1974
Man könnte es für eine abschätzige Äußerung halten: Er sei ein „wissenschaftlicher Autodidakt“ gewesen. Doch solche Worte in einem Nachruf geschrieben, dürften vielmehr als Respektbezeugung gedacht gewesen sein. Sie galt Karl Ludwig Wolters, einem promovierten Tierarzt, der 1923 zum Direktor des Bakteriologischen Instituts in Dessau ernannt wurde, es in den folgenden Jahren zu einer der zentralen Forschungseinrichtungen für die Seuchenbekämpfung formte und zu einem wichtigen Impfstoff- und Serumproduzenten in Deutschland entwickelte.
Wolters wurde am 25. Mai 1892 als Sohn des Bäckermeisters Karl Wolters in Wolfenbüttel geboren. Sein Studium begann er 1911 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, wechselte zwei Jahre später nach Berlin, musste sein Studium wegen des Kriegsdienstes unterbrechen und erhielt schließlich 1919 seine tierärztliche Approbation. Er promovierte über Methoden des Indolnachweises, mit dem sich Bakterien klassifizieren lassen.
Als er 1921 seine Arbeit im Tiergesundheitsamt für die Provinz Preußen begann, schien das der Beginn einer Karriere als Staatsbediensteter, der über die Einhaltung von Gesetzen wacht. Wichtig, aber eben keine Forschungsarbeit. So hätte es weitergehen können, als Wolters 1924 die Direktion des 1921 von Friedrich Richter neu gegründeten Bakteriologischen Instituts der Anhaltischen Kreise in Dessau übernahm. Auch wenn es sich selbst finanzieren musste, war es letztlich eine Behörde, ein Veterinäruntersuchungsamt mit erweiterten Aufgaben.
Doch sehr bald fing das Institut an, selbst Seren und Vakzine zu produzieren. Es wuchs unter Wolters, und das 1930, zusammen mit Herbert Hoffmann gegründete Anhaltische Serum-Institut GmbH Dessau (ASID) lieferte Impfstoffe und Seren im großen Maßstab. Mit seinen Gewinnen sicherte es die finanzielle Basis für die Forschung.
Eine wichtige Partnerin für seine Forschungen wurde Johanna Dehmel, eine Medizinische-Technische Assistentin, die oft als Co-Autorin seiner Arbeiten zeichnete. Zusammen entwickelten sie einen Tetanus-Impfstoff, den Wolters an sich selbst testete, indem er sich drei Mal potentiell tödliche Dosen Tetanustoxin verabreichte. Er forschte ebenso zu Diphtherie. Ihm gelang es, Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Produktion unter dem Dach der ASID zu verbinden und zu einem der erfolgreichsten Impfstoff- und Serenhersteller sowohl in der Human- wie in der Veterinärmedizin aufzubauen.
Kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs verließ Wolters Dessau, arbeitete in Itzehoe als Landtierarzt und wurde 1949 Geschäftsführer der ASID Serum Instituts GmbH Neuherberg in Bayern. Er starb am 19. Juli 1974 in München.
Hubert Möhlmann
30. März 1913 – 21. September 1991
Das Land ist flach hier, sehr flach, und von Entwässerungskanälen durchzogen. Wer in Nortrup, 80 Kilometer Luftlinie südwestlich von Bremen, 1913 als siebtes von zehn Kindern einer Bauernfamilie geboren wurde, dürfte kaum in die Wiege gelegt worden sein, Forscher zu werden, es zum Professor zu bringen und Chef eines Impfstoff- und Serenherstellers zu werden. Doch genau das gelang Hubert Möhlmann. Auf dem elterlichen Hof hatte er unvermeidlich Kontakt zur Landwirtschaft und Viehhaltung, was seine Entscheidung, von 1932 bis 1936 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover zu studieren, maßgeblich beeinflusst haben dürfte. Schon während seiner Assistenzzeit in der tierärztlichen Praxis kam er mit der Bekämpfung der Maul-und-Klauen-Seuche (MKS) in Berührung.
Friedrich Loeffler
Entdecker des MKS-Virus; Quelle: wikipedia.org
Nach seiner Approbation 1937 und zwei kurzen Zwischenstationen zog er ins ostpreußische Marienwerder (heute Kwidzyn) und war dort zwei Jahre an einem großen Forschungsprojekt zur Maul- und Klauenseuche (MKS) beteiligt. Die weltweit verbreitete Tierkrankheit griff damals in Deutschland massiv um sich. In den 1910 auf der Insel Riems gegründeten Staatlichen Forschungsanstalten (ab 1943 Reichsforschungsanstalt für Tierseuchen Riems) und im Jahr 1950 nach dem Entdecker des MKS-Virus Friedrich Loeffler benannten, ersten virologischen Forschungsinstitut, entwickelte man einen Impfstoff. Über dessen praktischen Einsatz schrieb Möhlmann seine Dissertation; „Die Ausbrüche von Maul- und Klauenseuche in der ersten 14 Tagen nach der aktiven Immunisierung mit Vakzine nach Waldmann und Köbe“.
In der Reichsforschungsanstalt für Tierseuchen auf der Insel Riems war man auf den jungen Wissenschaftler aufmerksam geworden und stellte ihn 1939 als Assistent in der MKS-Forschung ein. In den folgenden Jahren und mittlerweile kommissarischer Leiter der Vakzine-Herstellung entwickelte er eine präzisere MKS-Diagnostik und verbesserte die Verfahren der Impfstoffherstellung. 1944 ernannte man ihn zum Professor. Er widmete sich weiterhin vor allem der Forschung der Maul- und Klauenseuche, wofür er und seine Mitarbeiter mit dem Nationalpreis 1. Klasse ausgezeichnet wurden. Die Riemser hatten erreicht, dass ab 1950 die Tierbestände in der DDR jährlich gegen MKS geimpft wurden. 1954 habilitierte Möhlmann sich mit einer Arbeit über MKS an der Berliner Humboldt-Universität.
Ein Jahr zuvor war er nach Dessau berufen worden und wurde dort Gründungsdirektor des neu aufgestellten Forschungsinstituts für Impfstoffe. In dieser Position kümmerte er sich nicht nur um administrative Fragen, sondern forschte selbst weiter.
Anderthalb Jahrzehnte später wurde Möhlmann die veränderte politische Situation zum Verhängnis. Wissenschaftliche Expertise und der Erfolg seines Instituts allein reichten nicht mehr. Im Januar 1973 wurde den wissenschaftlichen Institutsleitern in einer hastig einberufenen Versammlung eröffnet, dass der Direktor abberufen werden würde. Eine Erklärung blieb aus, dem erkrankten Möhlmann wurde die Nachricht von einer Abordnung zu Hause überbracht. Erst 1990 wurde er von der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften rehabilitiert und ihm das Emeritierungsschreiben überreicht.
Der Wissenschaft blieb Möhlmann gleichwohl verbunden – als Mitglied der Hallenser Leopoldina, einer interdisziplinären naturwissenschaftlichen Akademie. Am 21. September 1991 starb Hubert Möhlmann
Hartmut Klocke
1. Mai 1942 – 12. Februar 2020
Mauerfall und deutsche Wiedervereinigung – wie andere Unternehmen in Ostdeutschland auch, wurde das Impfstoffwerk Dessau-Tornau ab 1990 kräftig durchgeschüttelt. Von Juli/August 1990 fiel der Umsatz auf 5 Prozent des Vorjahresniveaus. Es gab viel Gründe: Die in der DDR zugelassenen Impfstoffe mussten ein neues Zulassungsverfahren durchlaufen, die riesigen Tierbestände schrumpften dramatisch – und es gab die Konkurrenz „aus den alten Bundesländern.“
Gerettet wurde die IDT von Füchsen. Die Firma verfügte über einen Köderimpfstoff, um Füchse als Überträger der für Menschen lebensgefährlichen Krankheit immun zu machen. Einen solchen hatte auch die Klocke Pharma-Service GmbH Appenweier im Portfolio. Die gehörte und gehört zur Klocke-Gruppe, mit Ursprung im badischen Weingarten. 1971 übernahm Hartmut Klocke von seinem Vater die Leitung der Klocke Verpackungs-Service GmbH und baute daraus die Klocke-Gruppe auf
Hartmut Klocke wurde am 1. Mai 1942 geboren und wuchs in das Geschäft mit Verpackungen für die Pharmaindustrie hinein.
Bereits 1990 kam es zum ersten Kontakt zwischen Hartmut Klocke und der IDT, bei der vorübergehend der Tollwutimpfstoff für die Klocke Pharma-Service GmbH produziert wurde.
Trotz der Einstufung als „nicht sanierungsfähig“ des damals als Impfstoffwerk Dessau-Tornau firmierenden Unternehmens durch die Treuhandanstalt war Hartmut Klocke überzeugt von der Zukunftsfähigkeit des Impfstoffwerks und stellte im Juni 1992 einen Kaufantrag bei der Treuhandanstalt. Deren Einschätzung zur IDT hatte sich mittlerweile gewandelt. Überdies schien das Interesse der Konkurrenz geweckt, denn plötzlich stockten die Verkaufsverhandlungen. Der Fall IDT nahm politische Dimensionen an, es gab Proteste aus der IDT heraus, die Presse und selbst das Bundeskanzleramt wurden eingeschaltet. Durch den mit bekannten Persönlichkeiten aus den alten Bundesländern und zwei Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat – initiiert durch Dr. Heinz Hofmann, Geschäftsführer seit Mitte 1990, und der damaligen Geschäftsleitung gelang es schließlich, eine Abwicklung, des Unternehmens abzuwenden.
Ein Jahr, nachdem der Kaufantrag gestellt worden war, konnte Hartmut Klocke den Kaufvertrag unterschreiben. Das IDT war erfolgreich privatisiert. Rückblickend bezeichnete er den Kauf als „… einen gewaltigen Schritt, der nicht ohne Hindernisse verlief. Der Grundstein ist immer der Schwerste. Ich habe hier zu 100 Prozent alles auf ein Pferd gesetzt, auf eine IDT. Und mit vereinten Kräften haben wir Jahr für Jahr neue Erfolge erzielt.“
In den folgenden Jahren wurde das Werk zur Großbaustelle. 1995 begann der Bau einer neuen Impfstoffproduktion; Klocke investierte über 70 Millionen Euro. 1997 fertiggestellt, war IDT in der Lage, Impfstoffe nach international anerkannten Standards herzustellen. Mit vielen weiteren Investitionen in den folgenden Jahren entwickelte sich das Unternehmen zu einem wichtigen global agierenden pharmazeutischen Auftragsentwickler und -hersteller für humane Impfstoffe.
Als Hartmut Klocke am 12. Februar 2020 starb, war die nun als IDT Biologika agierende Firma einer der größten Arbeitgeber in ganz Sachsen-Anhalt.